Heute mal was anderes: Bücher

Rezension Kingsbridge-Reihe von Ken Follett

Es scheint als würden die lesenden Menschen immer weniger werden. Mit lesen meine ich natürlich nicht die abgehackten Untertitel von TikToks oder die Hashtags bei Insta. Die Aufmerksamkeitsspanne scheint sich immer mehr zu verkürzen. Den Romanen folgten die Groschenromane Ende des 20. Jahrhunderts, gefolgt vom Film, dann Fernsehen, Serien, Youtube und wie man die Aufmerksamkeitsspanne nach 15 Sekunden – Reels und Tiktok-Videos noch verkürzen soll, kann ich mir gar nicht vorstellen.

Der kurze Dopaminschub ist heute so leicht zu erlangen wie nie zuvor. Doch er ist eben auch gehaltlos, regt keine tiefgreifenden Gedanken an. Aber genug davon. Nachdem ich Martins „Lied von Eis und Feuer“ gelesen habe, las ich aus Nostalgiegründen wieder Herr Der Ringe und weil ich gerade so im historischen Fantasy unterwegs war, stolperte ich über den historischen Roman „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett aus dem Jahr 1986. Das Buch und den Autor hatte ich immer abgetan als etwas, das Mütter am Strand lesen. Aber ich gab dem Buch eine Chance und es hat mich schon nach den ersten 50 Seiten gepackt.

Die Handlung spielt im 12. Jahrhundert und begleitet verschiedene Akteure durch ihr Leben. Und damit meine ich durch das ganze Leben. Die Handlung erstreckt sich über 50 Jahre, eine ganze Generation. Es geht um die Entbehrungen der Zeit, die technischen Neuerungen, die Unterdrückung durch den Adel, Herrscherwillkür und Ausbeutung von Untergebenen die Machtkämpfe im Klerus, das Leben der Mönche – um zu viel um es mal eben zusammenzufassen. Manche Szenen werden mich wohl mein Leben nicht mehr loslassen wie der Vater, der sein neugeborenes Kind im Wald zurücklässt, da die Mutter im Kindbett gestorben ist und er das Kind schlichtweg nicht ernähren kann. Auch die Perspektive eines sehr frommen und gewissenhaften Mönchs war mir neu. Ich hatte von den Klöstern stets den Eindruck, sie würden einfach nur auf Kosten der Bauern leben. Dass viele es tatsächlich als ihre Aufgabe ansahen durch ihre Liturgie das Seelenheil ihrer Untergebenen im Jenseits zu gewährleisten. Das Buch ist großartig recherchiert und macht das zwölfte Jahrhundert durch die Augen des Adels, der Bauern und der Mönche erfahrbar.  

Als es zu Ende war, erfasste mich, wie es oft nach guten Büchern ist, eine gewisse Leere. Doch dann fand ich heraus, dass es sich bei der „Kingsbridge-Saga“ von Follett um eine ganze Reihe von mittlerweile Büchern handelt, die alle ungefähr im Abstand von 200 Jahren, in der gleichen Stadt spielen und deren Handlung sich von 900 bis 1825 erstreckt. Das letzte und gleichzeitig zeitlich erste Buch „Die Waffen des Lichts“ erschien 2023. Man folgt nicht nur der Geschichte der Stadt, sondern auch der Entwicklung des Autors über 35 Jahre.

Womit wir bei der Kritik wären: Die ersten beiden Bücher sind sich im Aufbau der Handlung, den Charakteren, der Wendungen recht ähnlich. Das hat mich aber nicht gestört. Es war eher wie der neue Teil eines Computerspiels, das bekannte Mechaniken in eine neue Umgebung brachte. Die Komplexität der Bücher nimmt jedoch weiter zu, wie auch die Komplexität der Welt zunimmt. In „Fundament der Ewigkeit“ (1558 – 1620) wird die Handlung wesentlich internationaler und erstreckt sich bis in die Neue Welt. Die Personen aus Kingsbridge sind in die europäische Konstellation der Mächte und ihrer adeligen Machthaber und Familien eingebunden und spielen wichtige Haupt- oder Nebenrollen im Weltgeschehen des Elisabethanischen Zeitalters.  „Die Waffen des Lichts“ beschreibt den Zeitraum von 1792 bis 1824, die industrielle Revolution und die Koalitionskriege.

So sehr mir die Bücher auch gefallen haben, empfehle ich nicht, sie am Stück zu lesen, sondern immer ein Buch dazwischen zu schieben. Bei mir ist das ein Sachbuch oder „Hochliteratur“ (hatte erst ne Kafka-Phase und jetzt Murakami).

Die Bücher zeigen die Entbehrungen, die unser Vorfahren auf sich genommen haben um ihre Kinder durchzubringen. Mit welchem Blut und Risiko unsere heutigen Rechte erstritten wurden. Gerade in der Zeit des Dekonstruktivismus, wo alles althergebrachte suspekt ist und die vorherigen Generationen zu oft als rückständig empfunden werden, lohnt sich die Lektüre.

Nachdem ich nun all fünf Bücher gelesen habe, kann ich sie nur empfehlen. Da ich scheinbar immer noch nicht genug habe, habe ich nun seine Jahrhundert-Trilogie begonnen, die im 20. Jahrhundert spielt. Meine nächste Rezension folgt.

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Autor: aischaschluter

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen - von den kargen Früchten des Waldes.

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