Verfälschte Sprache, verfälschte Geschichte

70 Jahre ist es dieser Tage her, dass der erste James-Bond-Roman lan
Flemings erschien. Statt einer werktreuen Jubiläumsausgabe, die den Autoren würdigt, wird in diesem Fall an Fleming ein Exempel der woken Cancel Culture – genauer: der geistigen Refurbish-Unkultur – statuiert: Dank des eifrigen Wirkens von Political-Correctness-Wächtern und “Sensitivity Readers” wurden in den Neuauflagen nun einige “als problematisch empfundene Passagen” (so der “Norddeutsche Rundfunk” verschämt) geändert – womit vor allem “frauenfeindliche und rassistische ethnische Beschreibungen” gemeint sind. In den Zeitungen und Kulturmagazinen tobt seitdem eine Diskussion über die Richtigkeit und Zulässigkeit solcher Eingriffe ins geistige Eigentum.

Ich verstehe nicht, warum so etwas überhaupt nur diskutiert wird – und ich bin schockiert, dass das Umschreiben von Büchern bereits praktiziert wird. Bücher sind Zeitdokumente, sie spiegeln Paradigmen, Denkweisen und Sprache ihrer Entstehungsepoche wider. Was folgt als nächstes? Goethes “Faust” wegen seiner altertümlichen Sprache umschreiben? Wolfgang Koeppens “Tauben im Gras” wegen seiner drastischen Darstellung von rassistischen Entgleisungen im Nachkriegsdeutschland aus dem Lehrplan nehmen? Oh Moment… das passiert ja alles schon!

Konfliktallergie als Folge

Von Allen West stammt das Zitat: “History is not there for you to like or dislike. It is there for you to learn from it. And if it offends you, even better. Because then you are less likely to repeat it. It’s not yours for you to erase or destroy.” Bis zu Beginn der modernen Geschichtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es – und ist es sogar teilweise noch bis zum heutigen Tag – vornehmliche Aufgabe der Historiker, das eigene Land, den oder die eigenen “Landesherren” in tunlichst güldenem Licht erscheinen zu lassen. Das war und ist falsch – aber man kann es nachvollziehen. Die Begründung, die heutzutage angeführt wird, dass historische Begebenheiten oder die Sprache aus vergangenen Zeiten beleidigend (“offensive”) wären, kann ich jedoch beim besten Willen nicht verstehen. Was für ein Weltbild steht denn hinter dieser Idee? Ist es die Aufgabe der Welt und sogar der Weltgeschichte, “mir” oder den gegenwärtigen Zeitgenossen zu gefallen? Absolute Hybris und geradezu sagenhafter Narzissmus müssen da am Werk sein. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Was daraus folgt, ist eine Konfliktallergie, für welche die in US-amerikanischen Universitäten (!!!) eingerichteten “Safe Spaces” geradezu sinnbildlich stehen, in denen selbstverstandene “Opfer”, “Beleidigte” oder Dauerdiskriminierte vor “offensive content” sicher sein sollen. Es sind damit also diskursfreie Räume.

Training in Sachen Anti-Fragilität

Demokratie lebt jedoch vom Diskurs, vom Aushalten(müssen) der Meinung anderer. Wenn das nicht einmal bei historischen Tatsachen gelingt oder bei literarischen Werken, die den Zeitgeist ihrer Entstehung enthalten – wie soll das dann erst im demokratischen Prozess funktionieren?

Man gewinnt geradezu den Eindruck, dass heutige Digital-Affine in der Politik wie Emilia Fester oder Sawsan Chebli die “Blockieren”-Funktion aus ihren Twitterforen auch im real-life im Kopf tragen. Konfliktscheue hat es gewiss schon immer gegeben, aber sie gewinnt im digitalen Zeitalter doch eine neue Qualität: So wie die Anzahl der Erdnussallergien dort am stärksten gewachsen ist, wo man versucht hat, Kinder besonders früh von Erdnüssen fernzuhalten, braucht es auch im Hinblick auf die Ausbildung demokratischer Fähigkeiten ein Training in Sachen Anti-Fragilität. Aber die Echokammern in den sozialen Netzwerken bewirken das genaue Gegenteil.

Das Studium der Geschichte ist ein wirksames Gegenmittel gegen die Arroganz des Zeitgeistes. Man wird bescheiden, wenn man sieht wie viele unserer oberflächlichen Annahmen, die auf den ersten Blick progressiv und plausibel erscheinen, bereits gedacht wurden – Nicht nur einmal, sondern viele Male und in unzähligen Varianten; und sich dann unter großen Kosten für die Menschheit als falsch erwiesen haben.“ – Paul johnson

They see me Rowling, they hatin`,…

Die radikalen Aktivisten der Transcommunity und ihre „Allies“ erweisen der gesamten Community mal wieder einen Bärendienst. Ein großer Teil des Qualitätsjournalismus unterstützt das fragwürdige Vorgehen, obwohl keiner der Artikel mir letztendlich erklären konnte, dass JK Rowlings transfeindlich wäre.

Angeführt werden immer die gleichen beiden Aussagen: Rowling wehrt sich gegen den Ausdruck „menstruierende Personen“, da dies ihrer Ansicht nach von dem Begriff „Frau“ abgedeckt ist und ihr Like unter einem Tweet, der Transfrauen als Männer in Kleidern bezeichnete.

Ähnlich wie beim Thema „Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße“ hängen sich die Aktivisten an der Defintion auf. Sie gehen davon aus, dass alle Welt ihre Definition von Rassismus bzw. Frauen übernehmen muss – da diese ja die „richtige“, die „bessere“ sei – die „wissenschaftliche“.

Im Fall des genannten Rassismus ist die intersektionale Definition „Struktureller Rassismus“ gemeint, im Falle von „Frau“ bzw. weiblich ist nicht die biologische Definition, sondern die Geschlechtsidentität gemeint. Wenn Transfrauen Frauen wären – wozu bräuchte man dann überhaupt ncoh den Begriff Transfrauen? Mittlerweile gibt es sogar Aktivisten, die behaupten auch biologische Männer könnten biologische Frauen sein. Dabei stellt KEIN Biologe den Geschlechtsdimorphismus beim Menschen in Frage.

Sich hinter Fachbegriffen und Definitionen zu verstecken und diese nicht einmal zu klären war schon immer die Taktik der Geisteswissenschaftler, die eigentlich wenig bis nichts zur Diskussion beizutragen haben, aber dennoch eine Daseinsberechtigung einfordern. Wenn jemand von Frauen spricht, so meint er i.d.R. „biologische Frauen“. Wenn jemand von Rassismus spricht, so meint er „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aufgrund äußerlicher Merkmale“. Aber nein: Wer nicht die Sprache, die Definitionen der Aktivisten nutzt ist, kennt sich mit dem Thema nicht aus und bedarf einer Belehrung: Believe and listen.

Um sich dennoch zu inszenieren nutzen die Aktivisten eine Taktik, die an PETA erinnert. Ein populäres Thema wird aufgegriffen und für böse, schlecht und feindlich tituliert – nicht selten handelt es sich um Computerspiele. PETA ging vor Jahren gegen Assasins Creed: Black Flag auf die Barrikaden, weil es darin möglich war sich als Walfänger zu betätigen, was nach Peta zu einm Habitualisierungseffekt führe. Wer kennt es nicht? Eben noch gemütlich vor der Konsole gesessen, im nächsten Moment auf nem japanischen Walfänger angeheuert.

Auch wenn der Qualitätsjournalismus bemüht ist den Boykott darzustellen als stünde er auf einer breiten Basis, belegen die Verkaufszahlen jedoch, dass es wohl eher eine kleine, sehr laute Minderheit ist – die das Spiel wahrscheinlch ohnehin nicht gekauft hätte. Aber durch ihr Geschrei und Gekeife erreichen sie letzendlich das Gegenteil. Blätter, die immer noch nicht die kulturelle Relevanz von Computerspielen erkannt haben und selten bis nie darüber berichten, bescheren Hogwarts Legacy mit ihrer Vielzahl an Artikeln kostenlose Werbung.

Wer diese Artikel über Rowlings angebliche Transfeindlichkeit liest fragt sich zurecht, was an ihren Aussagen den nun transfeindlich sein soll. Selbst eine queerfeministische Journalistin, die es ich zur Aufgabe gemacht hat Rowlings Werk auf Transphobie zu durchleuchten, konnte keine finden. Die BBC rudert mittlerweile auch zurück:

“We do accept that there wasn’t sufficient challenge to the claims that were made and that we fell short here,” the BBC said. “This is a difficult and contentious area which we do try very hard to cover fairly and well on the BBC. However we should have challenged Stacey Henley more directly on her claims and apologise that we did not.”

Auf derlei Einsicht wartet man in den deutschen Medien (noch) vergeblich. Dabei sollten auch diese erkennen, dass man der Transcommunity nicht hilft, wenn man sie als hypersensible, realitätsferne Schneeflöckchen darstellt.

Die Woken leugnen ihre Existenz

Zum Taz-Artikel „Auf Wiedervorlage“ vom 04.10.2022

boah, ja…die TAZ eben. Selbst Vorreiter und Vorkämpfer auf dem Gebiet leugnet natürlich dass das ganze ein Problem ist und betreibt das, was man im Internetdiskussionsslang Gaslighting nennt: Versucht einem vorzugaukeln, dass man die Welt einfach vollkommen falsch wahrnimmt.

Aber damit das Ganze nicht zu offensichtlich ist, bedient man sich erstmal der Übertreibungen „Winnetou wird verboten. „Layla“ landet auf dem Index.“ Nein. War natürlich nicht so. Hat auch niemand behauptet. Aber das ZDF will zukünftig keine Winnetou-Filme mehr ausstrahlen und Layla zu spielen wurde von verschiedenen Veranstaltern untersagt – beides auf Druck der Woke-Bubble hin.

„Der Ausgangspunkt jeglicher Debatten zum Thema ist das Aufbegehren marginalisierter Gruppen.“ Nun…in der Regel sind es nicht die marginalisierten Gruppen selbst, die da aufbegehren, sondern die Wokies, die sich ungefragt zu ihren Anwälte erklären. Oder haben die amerikanischen Ureinwohner die Debatte um Winnetou angestoßen? Ist nämlich ganz angenehm sich als Anwalt der Schwachen zu stilisieren. Wer dann noch etwas gegen Dich sagt, sagt ja eigentlich schon was gegen diese marginalisierten Gruppen, gegen die Schwachen. Und wer würde denn sowas tun? Nur schlechte Menschen.

„Weil heute jemand auf einer Uni an einem Vortrag gehindert wird, drohen uns morgen Zustände wie in Orwells 1984.“ Also erstens Mal: Sollten nicht gerade die Deutschen besonders wachsam sein, wenn aus totalitärer Ideologisierung heraus, die Meinungsfreiheit bedroht wird? Wehret den Anfängen und so? Ob der Autor das genau so entspannt sehen würde, wenn Rechtsradikale in den Universitäten Professoren an ihren Vorträgen hinderten? Wohl kaum. Außerdem sind das schon lange keine Ausnahmefälle mehr. In den USA und Kannada verlieren Akademiker ihre Professuren, wenn sie sich nicht dem woken Zeitgeist beugen. Jordan Peterson ist da nur das bekannteste Beispiel.

Selbstzuschreibung als Grundbedingung für Existenz


„Schließlich ist so gut wie niemand zu finden, der sich selbst als „politisch korrekt“ oder „woke“ deklarieren würde.“  Nur weil es eine Fremdzuschreibung ist, heisst es ja nicht, dass es die so bezeichneten Leute nicht gibt. Selbstzuschreibung als Grundbedingung für Existenz? Ich benenne mich, also bin ich? Die wenigsten Irren würden sich ja auch selbst als irre bezeichnen, die wenigsten Rassisten selbst als Rassisten. Die Vertreter dieser Ideologie, Personen, Parteien, Medienoutlets und Vereine kann man sehr wohl namentlich benennen. Nur sieht man sich dann wahrscheinlich sehr schnell dem Vorwurf ausgesetzt, man würde „Feindeslisten“ führen.

„Wenn die kritisierten „Ideologien“ so mächtig wären – warum nehmen sie dann keinen Einfluss auf die realpolitischen Machtverhältnisse?“ man muss schon krass blind sein, um nicht zu sehen, wo das bereits überall passiert. Man nehme den Kulturbetrieb – die Unterwanderung Hollywoods durch woke Aktivisten, die denken, sie wären künstlerisch begabt und ein Franchise nach dem anderen zerstören. Herr der Ringe mit „Rings Of Power“ ist da nur das jüngste Beispiel. Auch die Neuverfilmungen der Disney-Klassiker werden dem Diversitätszwang unterworfen. Die deutschen hinken mal wieder hinterher, aber auch der ÖRR (Überraschung) hat  angekündigt da mitzuziehen. Wohlwissend, dass dieses Konzept nicht aufgeht. Denn wer die politische Botschaft über eine gute Erzählung stellt, wem es wichtiger ist sein Publikum zu erziehen als zu unterhalten, wer vorsätzlich langjährige Fans provoziert und sie bei Kritik als Rassisten und Sexisten beschimpft – der liefert i.d.R. eben Mist ab, den keiner sehen will. Und es endet ja nicht bei den Kreativ-Teams. Es gibt mittlerweile Diversitätsregeln für die Oscars. Ja. Ein Film wie Schindlers Liste könnte heute keinen Oscar mehr gewinnen, weil der Cast/die Rollen zu weiß ist. Und ironischerweise Juden nach diesen Regeln nicht als Minderheit zählen. Aber klar – die haben eigentlich keinen Einfluss.

Ein Blick ins woke Deutschland

Oder blicken wir nach Deutschland – wie steht es denn da um das gendern – 75% der deutschen lehnen es ab. Aber das hält manche Parteien und vor allem den ÖRR nicht davon ab das Konzept weiter zu pushen. Das Selbstbestimmungsgesetz: Biologische Wirklichkeit, objektive Fakten werden Befindlichkeiten untergeordnet. Derweil empfiehlt das Familienministerium Pubertätsblocker für Kinder, die „sich noch nicht entscheiden wollen, ob sie Mann oder Frau werden“. Oder blicken wir in die akademische Welt: Auch in Deutschland sind die sogenannten Grievance-Studies auf dem Vormarsch. Forschung zum Schreckgespenst des „Strukturellen Rassismus“ mal eben mit ner Milliarde unterstützt. Und natürlich auhc hier: Gendern. Sonst droht in der Hausarbeit Punktabzug. Und dabei sprechen wir noch nicht mal über die durch Politische Korrektheit unterdrückten Debatten.

Das geschieht jetzt und sind nicht, wie der Autor behauptet „Schreckensbilder, die in die Zukunft verlagert werden.“ Aber da wir gerade davonreden: Wieviele der Befürchtungen sind denn wahr geworden? Was wurde denn aus de „rechtsradikalen“ Befürchtung, dass  1 Million Flüchtlinge in einem Jahr aufzunehmen keine gute Idee ist? Über die Warnungen, dass es sich eben nicht um Fachkräfte handelt, wie von den Medien propagiert, sondern dass enorme Kosten auf den deutschen Staat zukommen? Hat sich davon nicht vieles bewahrheitet?  

Aber was aktuell geschieht, sieht der Autor wohl nicht. Sonst würde er nicht behaupten, es wären Schreckgespenste. Und was soll das überhaupt für ein Argument sein „Die Debatte gibt  es seit 30 Jahren, die Argumente bleiben die gleichen“. Auch hier wird die Voreingenommenheit des Autors wieder allzu deutlich. Die Debatte gegen Rechtsradikale wird seit jeher mit den gleichen Argumenten geführt. Heisst das, dass diese Argumente schlecht sind? Oder bedeutet es viel mehr, dass das Problem leider nicht an Aktualität verliert und man ihm immer wieder aufs Neue begegnen muss? So ist es eben auch mit der Meinungsfreiheit. Sie ist nicht selbstverständlich, sondern muss immer wieder aufs neue verteidigt werden. Gegen Feinde aus beiden Lagern, lieber Autor.

Ein Nebelschweif am Horizont: Kim de l’Horizon und der Deutsche Buchpreis

Grundsätzlich isses mir herzlich egal als was Kim de l’Horizon sich identifiziert. Aber da die Kulturamagzine ihn ja geradezuals Pionier feiern, frage ihc mich doch: Was genau feiern die denn da?

Sorry, aber ist nonbinär denn jetzt wirklich etwas besonderes? Was Neues? Gab es jahrhundertelang Gesetze gegen Nonbinäre, haben sie sich letztendlich von dieser Unterdrückung befreien können und traten aus dem Schatten halbseidener Nachtclubs und Parks ins Licht der Öffentlichkeit? Ja, Homosexuelle haben das getan. Und das ist feiernswert. Aber warum man jetzt die Nonbinären als die nächsten großen Selbstbefreier feiern sollte, erschließt sich mir nicht. Sind sie denn nicht Teil der LGBT-Community? Oder erfinden wir jetzt alle 5 Jahre ein neues Label, damit sich die Leute aufs Neue mit den Errungenschaften brüsten können als wäre wieder 1994? Kim wurde bereits in eine weitgehend befreite Welt hineingeboren. Er steht allenfalls auf den Schultern derer, die etwas für die Freiheit riskierten, die er seit Geburt genießt.

Vielleicht liegt auch gerade darin das Problem – das es kaum noch etwas gibt, was Kim erstreiten müsste. Statt dessen wird sein homo-pornesker Roman mit dem Buchpreis ausgezeichnet. So überrascht auch nicht die „Solidaritätsbekundung“ mit den Protesten im Iran. Schön das Fähnchen im Wind. Wäre gerade Inifada hätte er sich wahrscheinlich via „Queers For Palestine“ mit islamistischen Homophoben solidarisiert.

Ein Nonkormist von der Stange

Nonbinarität ist ein eigens kreiertes Label von Leuten, die vorgeben Label überwinden zu wollen in dem sie Geschlechterrollen ironischerweise möglichst eng auslegen, um sie dann als überwunden zu erklären. Es reicht heute eben einfach nicht mehr bi oder gay zu sein. Das ist ja akzeptiert und schon wieder Mainstream.

Wäre er einfach nur wie er ist, dann würde ich denken: Schick, endlich mal wieder ein wenig Exzentrik im Literaturbetrieb. Aber weil er eben mit diesem gehypden Nonkonformistenlabel „nonbinär“ das ganze garnieren muss, denke ich: Meh. Muss man jetzt im 5-Jahresrythmus neue Selbstzuschreibungen erfinden um wieder als nonkonform zu gelten?

Das Label wird sodann auch von den Feullietons aufgegriffen als wäre es wirklich etwas besonderes anstatt das was ich oben schon beschrieben habe: Eine Selbstzuschreibung, die es nur gibt, weil anders nicht mehr anders genug ist.

DIE ANGST DES KRITIKERS VOR DER EMPATHIELOSIGKEIT

Sagen wir es rundheraus: kein Jurymitglied und kein Radiokritiker hätte sich so lobhudelnd über das Buch sowie die Dankes-Performance von Kim de l’Horizon geäußert, hätte er nicht eine „andere Identität“ als diese.

Jeder Maßstab an Menschen, von denen man gleiches erwartet wie von sich selbst, wird bei K.d.l’H. plötzlich abgelegt. Ein süchtiger Hedonistenhipster, der billige Aktionen nachmacht und, weil er nicht reden will, auf der Bühne einen Popsong singt (und das auch noch schlecht) – kein Kritiker hätte sich der Fremdscham dieser Nummer erwehren können, wäre, ja, wäre, Kim de l’Horizon einer von ihnen. Einer von den „normalen“ Menschen, die man bewertet wie man eben seine Mitmenschen bewertet.

Der Grund, warum die Fremdscham nicht wahrgenommen werden will, liegt darin, dass man einer Person mit „anderer“ Identität andere Wahrnehmung und andere Weisheit attestiert – und sich selbst attestiert, diese eben nicht zu besitzen. K.d.l’H. darf das tun, was an jedem anderen peinlich ist, weil „wir“ ihn/sie/es eben nicht verstehen können. Weil wir nicht in ihm/ihr drinstecken.

Und das wiederum: die eigene Unwissenheit, das eigene vermeintliche Unvermögen, die Welt aus dem Blickwinkel einer Person wahrzunehmen, die sich so ganz sichtbar von dem eigenen zu unterscheiden vorgibt – das darf auf keinen Fall ans Licht kommen.

EMPATHIE ist der Orden, den sich heute auch Kritiker anstecken möchten.

[Danke an meine liebe Freundin Judith KD, die einige Passagen beigesteuert hat]

DIE WUT DER LINKEN AUF DEN LINKSRUCK.

Gastbeitrag von Judith Kd

Da las ich letztens einen User im Antifa-Profillook sich lautstark aufregen über den Pride Month – und über die Unternehmen, die Werbung machten und Aufmerksamkeit gerieren wollten mithilfe der Regenbogenfahne.

Wow, mag man da denken, unsereins ist sich einig mit Antifas?

Aber nicht doch.

Immer wieder kritisieren Lifestyle- wie auch traditionell tiefrote Linke gewisse woke Auswüchse, entweder die extrem gewordenen verbitterten Social Justice Warriors oder aber den („kapitalistischen“) Mainstream, der sich linken Themen anbiedert. Aber täuscht euch nicht: diese Alltagslinken kritisieren nicht etwa die woken Ideen, nein. SIE SIND NUR SAUER, DASS LEUTE SIE BENUTZEN, DIE SIE NICHT LEIDEN KÖNNEN.

Der böse Kapitalist hat sich gefälligst nicht ihre Themen zu eigen zu machen.

Ein Elon Musk oder früher auch ein Attila Hildmann bekommen trotz Vorantreiben linker Ideale deshalb so viel Schimpf von Lefties, weil sie in ihrer Person und Position innerhalb der Gesellschaft genau das verkörpern, was Linke traditionell verurteilen: Unternehmertum, Erfolg, Eigenständigkeit und das Kümmern um sich selbst. Das beinhaltet in linken Augen naturgemäß Egomanie, Unlauterkeit, Missbrauch – traditionell „rechte“ „Werte“.

Der Primärhabitus linken Denkens war zuallererst immer Abgrenzung von diesen Werten. Abgrenzung vom spießigen Karlheinz aus der Vorstadt, Abgrenzung vom Mainstream, Abgrenzung vom Leistungsdenken, vom offensichtlichen Erfolg, vom Eitlen, Schönen, Reichen.

Links war Zufluchtsmilieu für weniger Erfolgreiche, weniger Schöne, weniger Anpassungsfähige. Links war alternativ, ein Ort für die „anderen“.

Und nun kommen die, die bereits überall im Mainstream mitschwimmen können und es auch tun, und eignen sich die Insignien der für sich selbst erschaffenen alternativen Zufluchtsszene an? Indem sie „meine“ Themen „cool“ machen, untersetzen sie auch mich dem Coolnesswettbewerb, dem ich eigentlich entfliehen wollte in meine linke Parallelwelt.

Ein wenig anders, aber ähnlich gelagert ist die Kritik der (Mode)linken an den unsympathischen, unschönen Auswüchsen des woken Trends: den extremen Blökern á la Yaghoobifarah oder Schick, irgendwelchen neuen Verboten irgendwelcher Uni-Stoffe oder Statuen-Herabreißaktionen – jenen Personen und Vorfällen also, die leicht und klar als negativ erkennbar sind.

Sowas schadet dem eigenen Gutmenschen-Ansehen, dessen ist man sich sehr wohl bewusst.

Nichstdestotrotz wird sich selten wirklich von solchen Menschen distanziert. Man zeigt keine laute Wut darüber, dass die eigenen Grundsätze inzwischen so weit fortgeschritten sind, dass man selbst das ist, was man zu bekämpfen vorgibt: der Freiheitsbeschränker, der Vorurteilsgetriebene, der Hexenjäger. Beständig muss man stattdessen weiter den eigentlichen Feind, den ominösen, in allen möglichen neuen Varianten auftretenden “Rechten“, attackieren, obwohl man instinktiv längst nahezu die gleichen Sachen gut und schlecht findet wie er.

Nein nein, liebe Linke. So schnell kommt ihr mir nicht davon mit eurer wohlfeilen Kritik an euren beiden in euren Augen nichtglitzernden Auswüchsen.

Solange ihr euren Hauptfeind immernoch strohmannend in der Camp-David-Träger-Szene verortet, solange ihr immernoch gegen die schimpft, die sich nicht zu fein sind, sich auch laut sowohl gegen „Rainbow Capitalism“ sowie gegen Böhmermann&Co aufzulehnen, so lange seid ihr für mich weiterhin genau diejenigen, die das, was sie zwar mininalreflektiert kritisieren, erst ermöglicht haben. Eure zarte Kritik an eurer Seite entsteht nicht aus eurer Erkenntnis, dass eure Ideale zu weit gegangen sein könnten und der Gesellschaft inzwischen schaden. Sie ist nicht aus dem Wunsch gespeist, dass den Menschen die Entwicklung eurer Ideale weiterhin gut tun soll. Sie ist nicht am Wohle der Gesellschaft interessiert, was ihr stets vorgebt. Nein, sie entspringt und dient ausschließlich eurer Eitelkeit und eurem Wunsch, etwas Besseres zu sein.

Ihr wollt einfach nur nichts zu tun haben mit Kapitalisten, und ihr wollt nichts zu tun haben mit offensichtlich nervigen Dummbroten. Das ist alles.

Solange ihr den Mainstream verachtet, aber trotzdem von ihm gefeiert werden wollt – solange ihr in eurer Selbstgefälligkeit eure Verlogenheit, gleichzeitig Résistance als auch Star sein zu wollen, nicht erkennt – solange ihr euch zwar besser fühlen wollt als der Mainstream, aber jedem tatsächlich unter Risiko der sozialen Ächtung dem Mainstream die Stirn Bietenden übers Maul fahrt – solange bekommt keiner von euch auch nur einen Funken meines Respekts.

Rassismus I – Rassismus gegen Weiße?

Ebenso wird behauptet, dass es in allen Ländern, also vor allem…, also eigentlich ausschließlich in westlichen Ländern strukturellen Rassismus gebe. Seit der „handfeste“ Rassismus nur noch eine Randerscheinung ist, muss man sich ja eine neue Definition von Rassismus ausdenken, sonst hätte man ja nichts mehr, dem man alle Probleme mit bestimmten Minderheiten in die Schuhe schieben und auf diese Weise die entsprechenden Communities von jeglicher Eigenverantwortung freisprechen kann. Schlimmer noch: Es gäbe kein Feindbild mehr, auf das man die Übel der Welt projizieren kann: die „weiße“ Zivilisation. „Wenn du deine Identität nur durch ein Feindbild aufrechterhalten kannst, dann ist deine Identität eine Krankheit“, hat der armenisch stämmige Redakteur Hrant Dink einmal gesagt.

Es gibt ja Leute, die sagen, so etwas wie Rassismus gegen Weiße existiere gar nicht. Das sind mittlerweile nicht nur Menschen vom linken Rand oder solche, die z.B. Gender-Studies studiert haben und deshalb eine intersektionalistische Definition von Rassismus benutzen – nein, auch etwa der WDR kommentiert: „Rassismus ist es aber, sofern es eine Weiße betrifft, nicht.“ Das wirft natürlich einige Fragen auf: Was ist mit den Morden an Weißen in Südafrika? Es gibt bis zu 1.000 Fälle dieser „Farm Attacks“ im Jahr. In einem besonders grausamen Fall wurde die 12-jährige Tochter mit den Händen an einen Tisch genagelt und über Stunden vergewaltigt, bis sie starb. Nach der neuen, ahistorischen Definition sind das keine „rassistischen“, sondern „diskriminierende Morde“.

Ebenso verhält es sich mit dem Hass auf die Iren und andere weiße Bevölkerungsgruppen im Amerika des beginnenden 20. Jahrhunderts. Auch die Abwertung der Polen und anderer Ost-Europäer zu Arbeitsvölkern in der nationalsozialistischen Ideologie ist nun anscheinend kein Rassismus mehr. Ja, was ist dann eigentlich mit dem Holocaust? Das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte ist jetzt kein rassistisches mehr, sondern „Diskriminierung“. Kann Antisemitismus nicht auch Rassismus sein, weil die Juden weiß sind? Oder sind sie zwar weiß, aber dann auch irgendwie wieder nicht? 

Und nicht zuletzt: Was ist mit der Parole „Kill Whitey“, die auf Black Lives Matter-Demonstrationen gerufen wurde und für die Gewalt gegen Weiße im Zuge der Ausschreitungen und Plünderungen mitverantwortlich sein dürfte? 

Rassismus gegenüber Weißen lässt sich offenbar einfach wegdefinieren. 

Betrachten wir doch einmal die Definition von Rassismus nach Wikipedia: „Unabhängig von seiner Herkunft kann jeder Mensch von Rassismus betroffen sein.“

Identität durch Feindbild ist eine Krankheit

Hingegen kommentiert der Tagesspiegel am 07.6.2020 unter der Überschrift „Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße“:

Sicher, es gibt auch Vorurteile gegenüber Weißen. Feindseligkeit und Übergriffe. Doch Rassismus ist mehr als die Beschimpfung als „deutsche Kartoffel“ oder „Weißbrot“. Weiße können durchaus die Erfahrung machen, als Minderheit benachteiligt zu werden.“

Die Schwäche dieser Definition wird sofort offensichtlich, da sich der Autor hier selbst widerspricht. Eine Beleidigung reiche nicht aus, während zugleich anerkannt wird, dass es eben auch Formen gibt, die über Beleidigungen hinausgehen, nämlich die erwähnten „Übergriffe“. Von den gleichen Leuten wird übrigens schon die Frage nach der Herkunft einer Person of Colour (PoC) als rassistische Mikro-Aggression gewertet. 

Der Tagesspiegel weiter:

Aber es geht nicht um isolierte Handlungen, sondern um die Berücksichtigung der dahinterliegenden Machtstrukturen. Und das bedeutet etwa in Kamerun oder Südafrika, die kolonialistische Vergangenheit und den Apartheidstaat mitzudenken. In den USA und in Deutschland haben People of Color nicht die Macht, die Interessen der weißen, hegemonialen Mehrheitsgesellschaft zu dominieren.

Aha. Rassismus benötigt per Definition also zwingend eine strukturelle Macht-Komponente. Warum eigentlich?

Ebenso wird behauptet, dass es in allen Ländern, also vor allem…, also eigentlich ausschließlich in westlichen Ländern strukturellen Rassismus gebe. Seit der „handfeste“ Rassismus nur noch eine Randerscheinung ist, muss man sich ja eine neue Definition von Rassismus ausdenken, sonst hätte man ja nichts mehr, dem man alle Probleme mit bestimmten Minderheiten in die Schuhe schieben und auf diese Weise die entsprechenden Communities von jeglicher Eigenverantwortung freisprechen kann. Schlimmer noch: Es gäbe kein Feindbild mehr, auf das man die Übel der Welt projizieren kann: die „weiße“ Zivilisation. „Wenn du deine Identität nur durch ein Feindbild aufrechterhalten kannst, dann ist deine Identität eine Krankheit“, hat der armenisch stämmige Redakteur Hrant Dink einmal gesagt.

Deutschenfeindlichkeit, nur ein Kampfbegriff? 

Wenn es Rassismus gegen Weiße nicht gibt, hat das auch den schönen Nebeneffekt, dass man z.B. gegen „weiße Männer“ hetzen kann, ohne sich dessen schuldig zu machen. So kann sich dann eine Katharina Schulze von den Grünen ohne Gängelung ihrer sonst in diesem Bereich so aufmerksamen Partei problemlos über „alte, weiße Männer“ echauffieren. Wie der Rassismus gegen Weiße in Südafrika ist dann auch die „Deutschenfeindlichkeit“ flugs wegdefiniert. Fragen wir doch mal Wikipedia, wie es um diese bestellt ist:

Deutschenfeindlichkeit ist ein in rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Kreisen genutztes politisches Schlagwort, das strukturellen Rassismus gegen eine weiße Mehrheitsgesellschaft durch Migranten suggerieren und eigenen Rassismus rechtfertigen soll.“ 

Es scheint, als wäre die freie Enzyklopädie auch schon Opfer jener Rassismus-Neudefinition geworden. Ein rechter Kampfbegriff ohne jeden Realitätsbezug? Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt:

Der Historikerin Yasemin Shooman zufolge wurde die eigentliche Diskussion aber durch einen 2009 erschienenen Beitrag der Lehrer*innen Andrea Posor und Christian Meyer ins Rollen gebracht. In ihrem Beitrag machten die beiden Lehrer*innen auf das zunehmende Mobbing deutscher Schüler*innen durch migrantische Mitschüler*innen in einzelnen Berliner Schulen aufmerksam: Dort seien deutsche Kinder in der Minderheit. 

Das passt jetzt natürlich so gar nicht in das postmoderne Weltbild, in dem die Hautfarbe eine soziale Kategorie ist und die Welt sauber in Opfer und Täter eingeteilt wird, wobei die Mehrheitsgesellschaft stets unter Tatverdacht steht – auch wenn sie, wie in den erwähnten Schulen, de facto in der Minderheit ist. Entsprechend findet der Rassismus in nicht-westlichen Ländern so gut wie nie Erwähnung. Der Rassismus in Indien gegen Schwarze beispielsweise oder der Rassismus in Südamerika gegenüber den Nachkommen der schwarzen Sklaven und der indigenen Bevölkerung spielt einfach keine Rolle. 

„Beweise mir, dass Du kein Rassist bist“

Doch zurück nach Deutschland. Derzeit hält man hierzulande strukturellen Rassismus ja für ein großes Problem, wobei die Begründung eher schwammig bleibt – zumindest habe ich noch nichts gehört, was mich überzeugt hätte. Im Gegenteil: Das Anti-Diskriminierungsgesetz zum Beispiel und die Rassismuskeule könnten in einem strukturell-rassistischen Staat nicht wirken. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass gerade diejenigen, die sich über strukturellen Rassismus auslassen, oft von eben dieser angeblich strukturell rassistischen Gesellschaft finanziert werden.

Damit will ich den hierzulande existierenden Rassismus nicht herunterspielen, aber der ist meiner Einschätzung nach eher personeller Natur und nicht strukturell. Als Begründung für die Existenz von strukturellem Rassismus wird bspw. oft angeführt, dass es Menschen mit ausländischem Namen schwerer haben, eine Wohnung zu finden. Davon abgesehen, dass dies momentan jedem nicht leicht fällt, und man erst mal den Beweis erbringen müsste, dass es wirklich daran liegt: Ist das nicht eher personeller Rassismus des Vermieters, der keine ausländischen Mieter will?

Ein weiteres Argument ist das Racial Profiling. Ausländisch aussehende Menschen würden überproportional häufig von der Polizei kontrolliert werden. Machen das die Polizisten, weil sie alle zumindest latent rassistisch sind, wie das dieser Tage in Berlin verabschiedete „Antidiskriminierungsgesetz“ unterstellt? Oder hat es eher damit zu tun, dass Ausländer aus bestimmten Regionen überproportional häufig straffällig werden?

Jenes Gesetz sieht vor, dass bei Verdacht auf Diskriminierung die Behörde, Polizei oder wer auch immer, den Nachweis erbringen muss, nicht diskriminierend gehandelt zu haben. Zu dem Generalverdacht gegen die eigenen Behörden gesellt sich auch noch die schlicht und ergreifend verfassungswidrige Beweislast-Umkehr. „Beweise mir, dass es keinen Gott gibt“ – „Beweise mir, dass Du kein Rassist bist.“ Das Gesetz begreift Polizisten als Teil dieses ominösen strukturellen Rassismus, während sie doch auch auf Erfahrungswerte bauen dürfen müssen – ich jedenfalls habe noch nie im Görlie eine weiße Person Drogen verkaufen sehen. Wenn ich als Polizist nicht den Jugendlichen kontrolliere anstatt des älteren Mütterchens mit dem Rollator, mache ich mich dann auch der Alters-Diskriminierung schuldig? Oder des Sexismus, wenn Männer häufiger als Frauen kontrolliert werden?

Die strukturelle bedingte Angst vor einem Rassismusverdacht

Ich glaube nicht, dass jeder oder auch nur ein signifikanter Teil der Polizei in Deutschland rassistisch ist. Es zeigt sich vielmehr in Europa, dass die Angst, als Rassist gebrandmarkt zu werden, schwer wiegt, was beispielsweise die Behinderung der Aufklärung der über Grooming-Fälle in Rotherham gezeigt hat. Die Polizei hatte Bedenken, gegen die mehrheitlich pakistanischen Täter zu ermitteln.

Der Umfang des Skandals wurde deutlich, als 2014 ein Untersuchungsbericht erschien, der die Dimension der Verbrechen bilanzierte und Behördenmitarbeitern, der Polizei und Kommunalpolitikern Verschleierung und Versagen nachwies. 1.400 Kinder und Jugendliche wurden in der Stadt Rotherham, deren Umgebung und anderen Orten in Mittelengland durch hauptsächlich britisch-pakistanische „Grooming“-Banden systematisch missbraucht und sexuell versklavt. Dabei kam es zu Gruppenvergewaltigungen, erzwungener Prostitution und „Trafficking“ – einem Weiterreichen von einer Männergruppe zur nächsten. (s. hier.)

Die Labour-Abgeordnete Sarah Champion verlor nach Rassismusvorwürfen ihren Job. Sie hatte es gewagt in der englischen Zeitung „The Sun“  über die Gruppenvergewaltigung von weißen Mädchen durch pakistanische Täter zu sprechen. Unter anderem sagte sie, dass die Furcht der Leute vor Rassismusvorwürfen größer ist als die, bei der Benennung von Kindesmissbrauch falsch zu liegen (s. hier). Es scheint also sogar einen strukturellen „Anti-Rassismus“ zu geben oder besser: die strukturell bedingte Angst vor einem Rassismusverdacht. 

Eines der Opfer der Gangs sagte aus, dass sie von den Tätern rassistisch beschimpft wurde. Sie wurde geschlagen, gequält und über 100-mal vergewaltigt. Die Täter sagten ihr, sie würde es verdienen, da sie keine Muslima ist und sich zu freizügig kleide. Sie sei eine „weiße Schlampe“. 

Als sie später unter einem Alias bei Twitter davon berichtete, wurde sie von linken Aktivisten angegriffen: Es gäbe keinen Rassismus gegen Weiße.

Wie man es auch dreht und wendet: Es existiert gruppenbezogener Hass gegenüber weißen Menschen. Rassismus gegen Weiße ist immer noch Rassismus und darf nicht bagatellisiert, relativiert oder gar gerechtfertigt werden.

(Erschienen auf Achse Des Guten am 19.09.2020)

A Tale Of Two Studies – Die Geschichte Zweier Studien

„Es war die beste und die schlimmste Zeit, ein Jahrhundert der Weisheit und des Unsinns, eine Epoche des Glaubens und des Unglaubens, eine Periode des Lichts und der Finsternis.“
Und genau in dieser Zeit erblickten zwei Studien das Licht der Öffentlichkeit. Beide versuchten sich in Bereichen, in denen noch recht wenig Daten erhoben worden waren. Und obgleich beide ihre Schwächen hatten, war die eine viel geliebt und die andere viel gescholten. Ja man wollte der letzteren sogar absprechen überhaupt das Wort Studie zu verdienen. Erstere hingegen war ein gern gesehener Gast bei den angesehenen Medien – beim Spiegel und der Zeit, beim Monitor und der Taz, beim Mediendienst Integration und bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die zweite hingegen ward überhaupt nicht gerne gesehen. Es wirkte sogar als wollten manche gar verhindern, dass sie überhaupt gesehen wurde. So versammelten sich dann auch viele Leute mit illustren Namen und beeindruckenden akademischen Titeln und forderten das Projekt einzustellen noch bevor es richtig begonnen hatte.

Die beliebte Studie hörte auf den schwungvollen Namen „Afrozensus“, die unbeliebte trägt den sperrigen Titel „Brochüre der Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“.

Zu dieser Zeit war es in Mode, dass man sich mit den Opfer solidarisierte und die Täter verdammte – aber eben nur, wenn es die richtigen Opfer und nicht die falschen Täter waren. So hatten es die Gelehrten der Betroffenheitsforschung beschlossen. Die Opfer im Afrozensus wurden von dunklen Machenschaften, einem Geheimbund ähnlich unterdrückt, der im Überall und Nirgendwo agierte: Dem strukturellen Rassismus. Jeder Angehörige der Mehrheitsgesellschaft war ein Teil dieses Übels. Und weil jeder ein Teil war, war auch niemand ein Teil.

Die Täter in der unbeliebten Studie hingegen konnte man sehr genau benennen. Und das machte die Betroffenheitsspezialisten nervös. Musste man hier etwa am Ende noch konkrete Maßnahmen ergreifen? Maßnahmen gegen eine Gruppe, die von ihnen doch bereits pauschal als Opfer kategorisiert worden war. Nein. Das durfte nicht sein und was nicht sein durfte, konnte auch nicht sein. Also tat man, was man immer tat: Man schoss auf den Botschafter.

Die Arbeit sei nicht ergebnisoffen geführt worden, sondern es gäbe Anzeichen für Voreingenommenheit seitens der Ersteller der Studie. Hier sei erwähnt, dass der Verein, welcher die Afrozensus-Befragung durchgeführt „Each One, Teach One“ heißt. Die tragen die Ergebnisoffenheit quasi im Namen.
Der einzige Zweck der unliebsamen Studie hingegen sei es „schulische Konflikte politisch zu instrumentalisieren.“ Die Kritiker hingegen machten keinen Hehl aus ihren Absichten: „Sollte es den Akteur*innen (sic!) um eine grundsätzliche politische Debatte über Religion im öffentlichen Raum gehen, kann diese nicht glaubwürdig ausgetragen werden, wenn dies auf dem Rücken einer religiösen Minderheit geschieht“. „Vor dem Hintergrund der in der Gesellschaft weit verbreiteten antimuslimischen Einstellungen birgt dieses Projekt die Gefahr, die Diskriminierung einer bereits vielfach abgelehnten religiösen Minderheit zu befördern.“


Wen die Betroffenheitsforscher einmal zum Opfer erklärt hatten, der wurde diesen Status auch nicht mehr los. Selbst wenn er sich noch so anstrengte. „Konkrete Instrumente und Strukturen zum Umgang mit konfrontativer Religionsausübung im schulischen Regelbetrieb zu etablieren“ – das durfte schon gar nicht sein. Man könnte ja noch den Eindruck gewinnen, es handle sich um ein in der Tat strukturelles Problem. „Strukturell“ konnte aber nur der Rassismus der Mehrheitsgesellschaft sein von der der Afrozensus berichtet. Doch hier wurde keine Kritik vorgebracht – nicht an der willkürlichen Auswahl der Befragten nach dem Schneeballprinzip, nicht an der Möglichkeit die Onlinebefragung mehrfach auszufüllen, nicht an schwammigen Definitionen oder dass sie rein auf die Perspektive der Betroffenen reduziert war.

Und damit hätte die Autorin dieser Zeilen auch grundsätzlich kein Problem. Keine Studie oder Umfrage kann die Wirklichkeit abbilden. Sie können lediglich Orientierungshilfe leisten, uns einen Schatten der Realität vermitteln. Ihre aussagekraft ist beschränkt.

Und manchmal sagt die Reaktion auf Studien sogar mehr aus als die Studien selbst.


Die „Critical Race Theory“ ist keine neue Bürgerrechtsbewegung – sondern das Gegenteil.

Die Bürgerrechtsbewegung basierte auf einer hoffnungsvollen und optimistischen Vision, dass das moderne Amerika, die Ideale des Landes in die Realität umzusetzt. CRT hingegen präsentiert eine dystopische Vision, in der

(veröffentlicht 10.06.2021)

Auch wenn ihre Anhänger das gerne so darstellen. Aber diese Argumentation ist, auch wenn für die Anhänger natürlich zur Legitimation sehr attraktiv, logisch falsch: Die Critical Race Theory (CRT ) untergräbt ausdrücklich die intellektuellen und moralischen Grundlagen des farbenblinden amerikanischen Liberalismus.

Oder wie es eine Kommentatorin mir gegenüber unverblühmt schrieb: „der nötige Schritt um Kategorisierungen wie Schwarz,BiPoc zu überwinden, ist diejenigen, die sonst die Deutungshoheit über Kategorien haben, selbst zu kategorisieren. Also simpel gesagt, Weiße als eben Weiße zu kategorisieren. Und nachdem alle, wirklich alle, also inkl. der dominanten Gruppe, die ein wir/ihr Konzept herstellt, kategorisiert wurden…Probleme herausgearbeitet und benannt und bearbeitet wurden; erst dann kann man realistisch betrachtet, die Kategorien weglassen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“

Rassismus mit Rassismus bekämpfen – was soll da schon schiefgehen?

Die Bürgerrechtsbewegung basierte auf einer hoffnungsvollen und optimistischen Vision, dass das moderne Amerika, die Ideale des Landes in die Realität umzusetzt. CRT hingegen präsentiert eine dystopische Vision, in der allgegenwärtige Scheinheiligkeit und Unterdrückung Amerikas nationale Seele definieren. Anhänger der CRT sind weit davon entfernt, die Erben der Bürgerrechtsbewegung zu sein. In vielerlei Hinsicht ist die CRT schlicht ihr Gegenteil. Sie basiert nicht auf einer gesicherten Faktenlage, sondern möchte uns weis machen, dass es immer und überall Rassismus gibt.Martin Luther King und seine Zeitgenossen kämpften bekanntlich für eine Welt, in der „Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden“. CRT stellt nicht nur die Farbe der eigenen Haut in den Vordergrund, sondern präsentiert auch den menschlichen Charakter weitgehend als mit der Rasse unweigerlich verknüpft – wobei weiße Unterdrücker von der bösen Ideologie des „Weißseins“ programmiert werden, während den Nicht-Weißen vorsorglich der Opferstatus zuerkannt wird.

In ihrer unnachgiebigen Fokussierung auf Weiße als Quelle des Bösen in der Gesellschaft nimmt die CRT die Form einer mystischen Verschwörung an. Einflussreiche Anhänger der CRT wie Richard Delgado und Jean Stefancic haben zum Beispiel behauptet, Rassismus sei ein Werkzeug, das von „weißen Eliten“ in unausgesprochener Allianz mit der „weißen Arbeiterklasse“ aufrechterhalten wird, um Nichtweiße unterdrückt zu halten. Für sie ist Rassismus keine individuelle Geisteshaltung, sondern ein totalitäres System zur Gewinnung und Verteidigung politischer und wirtschaftlicher Macht.

Der gefeierte „Antirassismus“-Autor und Dozent Ibram X. Kendi definiert Rassismus als „eine Verbindung von rassistischer Politik und rassistischen Ideen, die rassistische Ungerechtigkeiten hervorbringt und normalisiert“. Solche pauschalen, universalistischen Definitionen helfen beim Verkauf von Büchern. Aber sie verlegen auch den Wirkungsbereichs des Rassismus gleichzeitig ins überall und nirgendwo – ähnlich wie religiöse Texte die Existenz Gottes (oder des Teufels) darstellen. Wie kann eine so nebulöse Idee von so vielen Menschen, gerade auch im akademischen Umfeld, so unkritisch geschluckt werden?In einer Rede an der University of Newcastle im Jahr 1967 sagte Martin Luther King:

“There can be no separate black path to power and fulfilment that does not intersect white routes and there can be no separate white path to power and fulfilment short of social disaster that does not recognize the necessity of sharing that power with colored aspirations for freedom and human dignity.”

Der Weg zum Glück der Schwarzen und auch der Weißen könne nur gemeinsam erreicht werden.Kritische Theoretiker weisen Kings Vorschlag zurück, da ein solcher einheitlicher Kampf gegen Rassismus überhaupt möglich wäre. Sie begreifen Weiße als Menschen, die von einem angeborenen Gefühl rassistischer Feindseligkeit angetrieben werden. King sah Gleichheit und Aufklärung als Werte aller Menschen an, die über Liebe, Empathie und gesunden Menschenverstand verfügen. Für die Anhänger der CRT hingegen können Gleichheit und Aufklärung für Weiße nur durch die Verinnerlichung von starr artikulierten, emotional sterilen Dogmen in obskurem Jargon erreicht werden.

Diese Art von „Fortschritt“, von der Überwindung des mit der Hautfarbe unweigerlich aufgesogenen Rassismus ist nur für jene privilegierten weißen „allies“(„Verbündeten“) möglich, die sich selbst zur moralisch fortschrittlichen Avantgarde erheben. King fände diese elitäre Haltung gewiss abstoßend.

Der Unterschied zwischen der Bürgerrechtsbewegung und der CRT ist nicht graduell. Er ist grundlegend. Befürworter des ersteren glauben, dass Amerika seine Fehler und Sünden überwinden kann, während letztere diese Fehler und Sünden als Vorwand präsentiert, um den liberalen Charakter Amerikas zu zerstören. Die eine Seite strebt nach Gleichheit und Fortschritt, während die andere einen Fetisch aus Unterdrückung und Spaltung macht. Es sollte nicht schwer sein zu erkennen, welcher Weg in eine bessere Zukunft für die USA führt.(Übersetzte Auszüge „No, Critical Race Theory Isn’t a New Civil Rights Movement. (Just the Opposite)“ von Kenny Xu und Christian Watson auf Quilette.com)

Aladin El-Mafaalani und die Grundlagen der modernen westlichen Gesellschaft

(veröffentlicht 25.10.2021)

Also ich mag den Aladin ja irgendwie, hat ein paar ganz stabile Thesen – aber in letzter Zeit, bedient er sich leider stark an der Critical Race Theory. Wissenschaft ist rassistisch weil sie in einem rassistischen Zeitalter, nein, einer „Hochzeit“ des Rassismus entstand? Welche denn? Physik wegen der schwarzen Löcher?

Dieser Gedankengang funktioniert nur, wenn man hartes Cherry-Picking bei den historischen Fakten betreibt. Rassismus als (einzige) Triebfeder der westlichen Gesellschaften zu sehen kann in ihrer Monokausalität schon gar nciht den komplexen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte gerecht werden. Sie lässt des weiteren konkrete Punkte einfach ausser Acht:Wie steht es denn um den europäischen Humanismus? Die Erklärung der Menschenrechte „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“? Den ideengeschichtlichen Grundlagen dieser Entwicklung im Christentum?Kann es sein, Herr El-Mafaalani, dass Sie sich hier ein bisschen zu sehr an der Critical Race Theory bedienen? Es erinnert mich etwas an den „Antirassismus“-Autor und Dozent Ibram X. Kendi. Dieser definiert Rassismus als „eine Verbindung von rassistischer Politik und rassistischen Ideen, die rassistische Ungerechtigkeiten hervorbringt und normalisiert“.

Solche pauschalen, universalistischen Definitionen helfen beim Verkauf von Büchern. Aber sie verlegen auch den Wirkungsbereichs des Rassismus gleichzeitig ins überall und nirgendwo – ähnlich wie religiöse Texte die Existenz Gottes (oder des Teufels) darstellen. Wie kann eine so nebulöse Idee von so vielen Menschen, gerade auch im akademischen Umfeld, so unkritisch geschluckt werden? Die Critical Race Theory untergräbt ausdrücklich die intellektuellen und moralischen Grundlagen des farbenblinden Liberalismus. Martin Luther King und seine Zeitgenossen kämpften bekanntlich für eine Welt, in der „Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden“. Die Critical Race Theory (CRT) stellt nicht nur die Farbe der eigenen Haut in den Vordergrund, sondern präsentiert auch den menschlichen Charakter weitgehend als mit der Rasse unweigerlich verknüpft – wobei weiße Unterdrücker von der bösen Ideologie des „Weißseins“ programmiert werden, während den Nicht-Weißen vorsorglich der Opferstatus zuerkannt wird.

Die Bürgerrechtsbewegung basierte auf einer hoffnungsvollen und optimistischen Vision, dass das moderne Amerika, die Ideale des Landes in die Realität umzusetzt. CRT hingegen präsentiert eine dystopische Vision, in der allgegenwärtige Scheinheiligkeit und Unterdrückung Amerikas nationale Seele definieren. Anhänger der CRT sind weit davon entfernt, die Erben der Bürgerrechtsbewegung zu sein. In vielerlei Hinsicht ist die CRT schlicht ihr Gegenteil. Sie basiert nicht auf einer gesicherten Faktenlage, sondern möchte uns weis machen, dass es immer und überall Rassismus gibt.Der Unterschied zwischen der Bürgerrechtsbewegung und der CRT ist nicht graduell. Er ist grundlegend. Befürworter des ersteren glauben, dass der Westen seine Fehler und Sünden überwinden kann, während letztere diese Fehler und Sünden als Vorwand präsentiert, um den liberalen Charakter des Westens zu zerstören. Die eine Seite strebt nach Gleichheit und Fortschritt, während die andere einen Fetisch aus Unterdrückung und Spaltung macht. Es sollte nicht schwer sein zu erkennen, welcher Weg in eine bessere Zukunft führt.

Ibram X. Kendi`s selfburn

Der amerikanische „Rassismusforscher“ Ibram X. Kendi, Posterboy der Critical Race Theory hat einen seiner Tweets gelöscht, nachdem er festgestellt hat, dass er damit seine ganze Theorie vom strukturellen Rassismus in den USA in Frage stellt. Kendi beschwerte sich darüber, dass viele Weiße bei der Bewerbung an Universitäten sich als Schwarze/PoC ausgeben, weil dies die Chancen auf einen Studienplatz erhöht. Von einem „Weißen Privileg“ kann also hier keine Rede sein.Auch beim Eignungstest SAT gelten in den USA je nach „Rasse“ unterschiedliche Kriterien. So müssen asiatische Studenten im Schnitt 140 Punkte mehr als Weiße und 450 Punkte mehr als Schwarze erreichen um die gleiche Chance auf einen Studienplatz zu bekommen.(„According to research from Princeton University, students who identify as Asian must score, on average, 140 points higher on the SAT (out of 1600) than white students to have the same chance of admission to private colleges. They must score 450 points higher on the SAT than black students.“) Anhänger der schlichtweg rassistischen Critical Race Theory drängen auch in Deutschland immer mehr in die Öffentlichkeit. Sobald jemand anfängt von der „weißen Mehrheitsgesellschaft“ zu sprechen, sollte man hellhörig werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Pfeiler der Demokratie und darf nicht durch pseudowissenschaftliche Theorien unterwandert werden.

(veröffentlicht 05.11.2021)