Du hast mich gefragt und ich hab`nichts gesagt – Der Skandal um Rammstein

Eigentlich wollte ich mich zu dem Skandal um Rammstein, der dieser Tage die Medien beherrscht nicht äußern. Zum einen, weil es ein sehr verfängliches Thema ist, zum anderen auch, weil ich die Band mag und daher ein Stück weit voreingenommen bin. Persönlich halte ich die Gesamtkunstwerke, Video und Musik, „Deutschland“ und „Zeit“ für die wohl besten Werke audio-visueller Populärkunst der letzten Jahrzehnte.

Aber hier bin ich nun und habe mir das Video der Influencerin Kayla Shyx angesehen, welches viele als Beleg für die Anschuldigungen zitieren. Was ist an diesem Video schockierend? Dass es Backstage-Partys bei großen Rockbands mit Groupies und Drogen gibt? Wohl kaum. Dass die Groupies nicht mehr wie früher von der Band selbst ausgewählt werden, sondern dieses Geschäft nun von Agentinnen übernommen wird? Ändert wenig bis nichts am Ergebnis.

Also was schockiert mich? Dass Kayla beschreibt, dass einige Mädchen inklusive ihr selbst nicht wussten, worauf sie sich einlassen? Ja. Das ist natürlich ein Schock für die Betroffenen. Aber es ist nicht so, dass sie daran gehindert worden wären wieder zu gehen. Und dass, wie Kayla beschreibt, die Recruiterin darüber nicht erfreut war, ist vom Standpunkt der Agentin Standpunkt nachvollziehbar (Dass die Recruterin selbst eine Frau ruft bei mir unweigerlich Assoziationen mit der Epstein-Gehilfin Gishlaine Maxwell hervor). Dennoch gilt wie HomoDuplex treffend schreibt: „Dass 20-jährige Frauen möglicherweise naiv oder was auch immer sind, rechtfertigt in keiner Weise den 60-jährigen Drecksack, der das ausnutzt und sie wie Vieh behandelt.“

Was auf den ersten Blick natürlich auch schockiert ist, dass einige der Mädchen vor Ort wohl schon sehr weggetreten waren, offensichtlich unter Drogeneinfluss standen. Das muss aber nicht heißen, dass diesen Mädchen gegen ihren Willen Drogen verabreicht wurden. Mädchen sind sehr gut in der Lage, sich selbstständig ins Aus zu schießen – ich spreche da aus Erfahrung. Und für die unfreiwillige Verabreichung gibt es bis jetzt allenfalls Indizien. Es steht es natürlich außer Frage, dass es moralisch vollkommen inakzeptabel ist, sich dann an diesen Mädchen zu vergehen – unabhängig davon wer der Verursacher ihres Zustandes ist. Das wäre Vergewaltigung.

Aber über diese Punkte kann ich nur spekulieren – wie alle anderen auch. Und es wird spekuliert. Sehr viel. Da frage ich mich dann eben auch, welche Rolle die Medien spielen, die sich in den letzten Jahren nicht zu selten ungeachtet der Unschuldsvermutung pauschal auf die Seite der Opfer gestellt haben. Jonny Depp, Kachelmann usw. mit teils dramatischen Folgen für die Männer. Auch etwas grundsätzlich gutes wie MeToo hat eben zwei Seiten.
Auch interessant ist, dass nun auf einmal wieder sexuelle Selbstbestimmung auch in den linken Medien mal wieder im Fokus steht, die ja dieses Thema nur anfassen, wenn keine Migranten involviert sind.

Das liegt vielleicht auch daran, dass Rammstein vielen im Kulturbetrieb und im linksorientierten Journalismus schon lange ein Dorn im Auge ist. So titelte Vice 2019 „Warum die Volltrottel-Band Rammstein dringend untergehen muss“, immer wieder wurde ihnen unterstellt rechtsradikal zu sein. Wie könnte es auch anders sein? Steht die Band oder das Gesamtkunstwerk Rammstein doch für alles, was diesen Kreisen zuwider ist: Das martialische Auftreten, die anzüglichen Texte, das Spiel mit dem Image des Bösen Deutschen und wahrscheinlich auch ihre Weigerung sich nicht wie die anderen großen deutschen Rockbands Die Toten Hosen und Die Ärzte vor den ideologischen Karren spannen zu lassen. Dabei setzt die Band auch selbst Zeichen, wenn sie bspw. im Video „Deutschland“ (welches ich zusammen mit Rammsteins  Video „Zeit“ für zwei der großartigsten Gegenstände deutscher Kunst halte) das Sinnbild Germania mit einer schwarzen Schauspielerin besetzt, was es der rechtsextremen Szene unmöglich machte, das Video für sich zu instrumentalisieren. Mit diesem Skandal hat Rammstein diesen Journalisten den lang ersehnten Angriffspunkt geliefert.

Doch auch der Journalismus hat hier zwei Seiten: Es ist wichtig junge Mädchen davor zu warnen, was es heißt von einer großen Rockband zur Aftershowparty eingeladen zu werden. Auf der anderen Seite sind es die Berichte über unbestätigte Vorwürfe, die jetzt schon Firmen wie Rossmann oder den Kress-Verlag veranlassen, die Zusammenarbeit mit der Band aufzukündigen.

Gut möglich, dass Till Lindemann wirklich das Arschloch ist, als das ihn viele beschreiben. Er wäre gewiss nicht der erste Künstler mit einem massiven Narzissmus-Problem, der Frauen wie Objekte behandelt. Aber davon werde ich mir die Bewunderung am Werk der Band, die ja nicht nur aus Lindemann besteht, (vorerst) nicht nehmen lassen.