DIE WUT DER LINKEN AUF DEN LINKSRUCK.

Gastbeitrag von Judith Kd

Da las ich letztens einen User im Antifa-Profillook sich lautstark aufregen über den Pride Month – und über die Unternehmen, die Werbung machten und Aufmerksamkeit gerieren wollten mithilfe der Regenbogenfahne.

Wow, mag man da denken, unsereins ist sich einig mit Antifas?

Aber nicht doch.

Immer wieder kritisieren Lifestyle- wie auch traditionell tiefrote Linke gewisse woke Auswüchse, entweder die extrem gewordenen verbitterten Social Justice Warriors oder aber den („kapitalistischen“) Mainstream, der sich linken Themen anbiedert. Aber täuscht euch nicht: diese Alltagslinken kritisieren nicht etwa die woken Ideen, nein. SIE SIND NUR SAUER, DASS LEUTE SIE BENUTZEN, DIE SIE NICHT LEIDEN KÖNNEN.

Der böse Kapitalist hat sich gefälligst nicht ihre Themen zu eigen zu machen.

Ein Elon Musk oder früher auch ein Attila Hildmann bekommen trotz Vorantreiben linker Ideale deshalb so viel Schimpf von Lefties, weil sie in ihrer Person und Position innerhalb der Gesellschaft genau das verkörpern, was Linke traditionell verurteilen: Unternehmertum, Erfolg, Eigenständigkeit und das Kümmern um sich selbst. Das beinhaltet in linken Augen naturgemäß Egomanie, Unlauterkeit, Missbrauch – traditionell „rechte“ „Werte“.

Der Primärhabitus linken Denkens war zuallererst immer Abgrenzung von diesen Werten. Abgrenzung vom spießigen Karlheinz aus der Vorstadt, Abgrenzung vom Mainstream, Abgrenzung vom Leistungsdenken, vom offensichtlichen Erfolg, vom Eitlen, Schönen, Reichen.

Links war Zufluchtsmilieu für weniger Erfolgreiche, weniger Schöne, weniger Anpassungsfähige. Links war alternativ, ein Ort für die „anderen“.

Und nun kommen die, die bereits überall im Mainstream mitschwimmen können und es auch tun, und eignen sich die Insignien der für sich selbst erschaffenen alternativen Zufluchtsszene an? Indem sie „meine“ Themen „cool“ machen, untersetzen sie auch mich dem Coolnesswettbewerb, dem ich eigentlich entfliehen wollte in meine linke Parallelwelt.

Ein wenig anders, aber ähnlich gelagert ist die Kritik der (Mode)linken an den unsympathischen, unschönen Auswüchsen des woken Trends: den extremen Blökern á la Yaghoobifarah oder Schick, irgendwelchen neuen Verboten irgendwelcher Uni-Stoffe oder Statuen-Herabreißaktionen – jenen Personen und Vorfällen also, die leicht und klar als negativ erkennbar sind.

Sowas schadet dem eigenen Gutmenschen-Ansehen, dessen ist man sich sehr wohl bewusst.

Nichstdestotrotz wird sich selten wirklich von solchen Menschen distanziert. Man zeigt keine laute Wut darüber, dass die eigenen Grundsätze inzwischen so weit fortgeschritten sind, dass man selbst das ist, was man zu bekämpfen vorgibt: der Freiheitsbeschränker, der Vorurteilsgetriebene, der Hexenjäger. Beständig muss man stattdessen weiter den eigentlichen Feind, den ominösen, in allen möglichen neuen Varianten auftretenden “Rechten“, attackieren, obwohl man instinktiv längst nahezu die gleichen Sachen gut und schlecht findet wie er.

Nein nein, liebe Linke. So schnell kommt ihr mir nicht davon mit eurer wohlfeilen Kritik an euren beiden in euren Augen nichtglitzernden Auswüchsen.

Solange ihr euren Hauptfeind immernoch strohmannend in der Camp-David-Träger-Szene verortet, solange ihr immernoch gegen die schimpft, die sich nicht zu fein sind, sich auch laut sowohl gegen „Rainbow Capitalism“ sowie gegen Böhmermann&Co aufzulehnen, so lange seid ihr für mich weiterhin genau diejenigen, die das, was sie zwar mininalreflektiert kritisieren, erst ermöglicht haben. Eure zarte Kritik an eurer Seite entsteht nicht aus eurer Erkenntnis, dass eure Ideale zu weit gegangen sein könnten und der Gesellschaft inzwischen schaden. Sie ist nicht aus dem Wunsch gespeist, dass den Menschen die Entwicklung eurer Ideale weiterhin gut tun soll. Sie ist nicht am Wohle der Gesellschaft interessiert, was ihr stets vorgebt. Nein, sie entspringt und dient ausschließlich eurer Eitelkeit und eurem Wunsch, etwas Besseres zu sein.

Ihr wollt einfach nur nichts zu tun haben mit Kapitalisten, und ihr wollt nichts zu tun haben mit offensichtlich nervigen Dummbroten. Das ist alles.

Solange ihr den Mainstream verachtet, aber trotzdem von ihm gefeiert werden wollt – solange ihr in eurer Selbstgefälligkeit eure Verlogenheit, gleichzeitig Résistance als auch Star sein zu wollen, nicht erkennt – solange ihr euch zwar besser fühlen wollt als der Mainstream, aber jedem tatsächlich unter Risiko der sozialen Ächtung dem Mainstream die Stirn Bietenden übers Maul fahrt – solange bekommt keiner von euch auch nur einen Funken meines Respekts.

Autor: aischaschluter

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen - von den kargen Früchten des Waldes.

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