Wer hat Angst vorm nonbinären Mann?

Der non-binäre Nemo hat den Eurovision Song Contest gewonnen. Es ist der erste Sieg für die Schweiz seit 36 Jahren. Schon am nächsten Tag titelte die Tagesschau völlig neutral und unvoreingenommen:

„Ein Sieg für die Vielfalt

[..]Und die Diskussion über die Anerkennung des dritten Geschlechts nimmt Fahrt auf.“

Der Basler Grüne Arslan schrieb auf X: „Eine nicht binäre Person, die amtlich in der Schweiz gar nicht existiert, hat für uns alle den ESC 2024 gewonnen.“

Medial wird Nemo gefeiert, doch es gibt auch andere Reaktionen: Antonia Velicu vom soziologischen Institut der Universität Zürich befasst sich mit den teils ablehnenden Reaktionen von Einzelpersonen im Netz. Sie sagt: «Wenn man sich provoziert fühlt, liegt das in der Regel daran, dass man die andere Person nicht wirklich kennt.»

Laut der Expertin gibt es mehrere Gründe, wieso Nemo von einer «lauten Minderheit» als triggerend wahrgenommen wird: «Wenn man sich provoziert fühlt, liegt das in der Regel daran, dass man die andere Person nicht wirklich kennt. […] Ein Verstoss gegen etwas, was als «normal» wahrgenommen wird. So fordert Nemo insbesondere, einen dritten Geschlechtseintrag neben «männlich» und «weiblich» zu ermöglichen.

«Dabei geht es nicht um Sonderrechte, sondern darum, die gleichen Rechte zu haben, wie alle anderen auch. […] Wir sind aufgewachsen mit einem binärem Geschlechtsverständnis, also dem Wissen, dass es in der Biologie genau zwei Geschlechter gibt.» Ja. Gute Frau. Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

„Historisch und kulturell haben jedoch viele Gesellschaften mehr als zwei Geschlechter anerkannt.“

Erstens Mal: Natürlich darf sich der Nemo von mir aus als Mann, Frau oder Clownfisch identifizieren – oder von mir aus auch als non-binär, was ja ironischerweise selbst wieder ein binäres System ist: Non-binäre und nicht-non-binäre.

Problematisch wird das ganz allerdings, wenn man dafür einen eigenen Geschlechtseintrag fordert. Denn biologisch gibt es, wie Velicu selbst ausführt, eben zwei Geschlechter und das wird sich auch nicht ändern – auch wenn Aktivisten dagegen Sturm laufen…auch gegen die Naturwissenschaft wie wir am Fall Vollbrecht gesehen haben. Und dass „viele“ Gesellschaften ein drittes Geschlecht kennen – ist kein Argument, allenfalls ein Bandwaggon-Scheinargument.

Es ist mMn höchst bedenklich den Geschlechtseintrag nur von einer Selbstzuschreibung abhängig zu machen, die naturwissenschaftliche Grundlage einer ideologischen, nämlich dem Sozialkonstruktivismus zu opfern. Denn an dieser Definition hängen eben auch Rechte und Pflichten – Frauensport, Frauenschutzräume etc. Haben non-binäre Personen dann ein Anrecht auf eigene Toiletten wie es teilweise ja schon diskutiert wird? Ironischerweise nimmt ja das deutsche Selbstbestimmungsgesetz die Wehrpflicht explizit aus: Man gilt also in allen Bereichen als Frau, aber wenn es um die Wehrpflicht geht, gilt man weiterhin als Mann.

Gaslighting

Es ist das ultimative Gaslighting: Sie wissen, es ist ein Mann, wir wissen es ist ein Mann, aber man kann uns mit bis zu 10.000 € Geldstrafe belegen, wenn wir sagen, es ist ein Mann. Orwell wird ja in letzter Zeit inflationär bemüht, aber das erinnert wirklich stark an 1984: „Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass 2+2=4 ist. Sobald das gewährleistet ist, ergibt sich alles andere von selbst“.

Also wozu den dritten Geschlechtseintrag und wer soll ihn bekommen? In D. wurde „divers“ eingeführt mit dem unglaublichen Ansturm von bis heute 400 Personen, die diesen Geschlechtseintrag in Anspruch nehmen. Dieser Geschlechtseintrag ist biologisch begründet – zwar stellt Intersexualität biologisch betrachtet kein eigenes Geschlecht da, es ist aber mehr als eine reine Selbstzuschreibung.

Das Fähnchen im Wind

Was uns zu der Frage bringt, wer sind denn die Aktivisten, welche den Geschlechtseintrag für non-binäre fordern und warum werden sie von den Medien derart gehyped?

2022 gewann der nonbinäre Kim de l’Horizon den Deutschen Buchpreis. Ist nonbinär denn jetzt wirklich etwas besonderes? Was Neues? Gab es jahrhundertelang Gesetze gegen Nonbinäre, haben sie sich letztendlich von dieser Unterdrückung befreien können und traten aus dem Schatten halbseidener Nachtclubs und Parks ins Licht der Öffentlichkeit? Ja, Homosexuelle haben das getan. Und das ist feiernswert. Aber warum man jetzt die Nonbinären als die nächsten großen Selbstbefreier feiern sollte, erschließt sich mir nicht. Sind sie denn nicht Teil der LGBT-Community? Oder erfinden wir jetzt alle 5 Jahre ein neues Label, damit sich die Leute aufs Neue mit den Errungenschaften brüsten können als wäre wieder 1994? Kim und Nemo wurden bereits in eine weitgehend befreite Welt hineingeboren. Er steht allenfalls auf den Schultern derer, die etwas für die Freiheit riskierten, die er seit Geburt genießt.

Nonbinarität ist ein eigens kreiertes Label von Leuten, die vorgeben Label überwinden zu wollen in dem sie Geschlechterrollen ironischerweise möglichst eng auslegen, um sie dann als überwunden zu erklären. Es reicht heute eben einfach nicht mehr bi oder gay zu sein. Das ist ja akzeptiert und schon wieder Mainstream – gerade beim ESC ist man wohl als hetero eher die Ausnahme.

Muss man jetzt im 5-Jahresrythmus neue Selbstzuschreibungen erfinden um wieder als nonkonform zu gelten? Das Label wird sodann auch von den Feullietons aufgegriffen als wäre es wirklich etwas besonderes anstatt das was ich oben schon beschrieben habe: Eine Selbstzuschreibung, die es nur gibt, weil anders nicht mehr anders genug ist. Vielleicht liegt auch gerade darin das Problem – das es kaum noch etwas gibt, was die non-binären Aktivisten erstreiten müssten.

Erinnern wir uns, wie Kim sich damals aus Solidarität mit den Protesten gegen das Mullah-Regime im Iran seinen Kopf rasierte. Dazu schrieb ich im Oktober 2022: „Schön das Fähnchen im Wind. Wäre gerade Inifada hätte er sich wahrscheinlich via „Queers For Palestine“ mit islamistischen Homophoben solidarisiert.“ Als könnte ich die Zukunft vorausahnen: In diesem Jahr war der ESC voller Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern.

Beinahe als sei anderen Leuten oberflächlichkeit vorzuwerfen in Wahrheit Projektion.

Autor: aischaschluter

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen - von den kargen Früchten des Waldes.

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