„Aber Aischa, anti-muslimischen Rassismus gibt es doch gar nicht. Der Islam ist doch keine Rasse!“ – Ja und Nein.
Will man Rassismus verstehen, so sollte man sich mit den verschiedenen Ausprägungen befassen. Rassismus bezieht sich in der historischen, klassischen Definition immer auf die Ablehnung eines Menschen aufgrund einer unveräußerlichen Eigenschaft bzw. der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit dieser Eigenschaft. Mit dieser Eigenschaft wird man in der Regel geboren.
In eine Religion wird man zwar in den meisten Fällen ebenfalls hineingeboren, außer in den eher seltenen Fällen der Konvertierung, aber die Religion kann theoretisch abgelegt werden. Ich sage theoretisch, weil es eben auch eine sogenannte Ethnisierung bzw. Rassifizierung der Religion gibt.
Hatten die Juden nach dem Alhambra-Edikt vom 31. März 1492 noch die Wahl zwischen Taufe und Exil, so war es im Dritten Reich nicht mehr möglich den Konzentrationslagern durch Taufe zu entgehen. Die Nationalsozialisten machten aus der Religionszugehörigkeit ein unveräußerliches, rassisches Merkmal, man spricht von einer Ethnisiserung der Religion.
Ethnisierung von Religion
Lässt sich dieser Vorgang auch auf „Anti-muslimischen Rassismus“ übertragen? Hierzulande gibt es ja auch Vollidioten, die abgeschnittenen Schweineköpfe an Moscheen hängen und ich bin geneigt diese Vollidioten als Rassisten zu bezeichnen. Findet hier eine Ethnisierung der Religionsangehörigen statt?
Ich denke nein, denn, entschuldigung das klingt jetzt zynisch, würden sie ihren Glauben ablegen, so wären sie den Angriffen nicht mehr ausgesetzt. Höchstwahrscheinlich würden besagte Vollidioten sie dann dafür hassen, das sie Türken oder Araber sind – aber das wären dann eben unveräußerliche ethnische Eigenschaften.
Die einzig sinnvolle Begründung für die Benutzung dieses Begriff , die ich bisher gehört habe ist, um berechtigte „Islamkritik“ vom „anti-musimischen Rassismus“ der genannten Vollidioten unterscheiden zu können. Man könnte zwar auch den Begriff Islamophobie benutzen, aber eigentlich kann ich mit dieser Begründung gut leben. Ich erspare mir an dieser Stelle detailliert darauf einzugehen, dass „anti-muslimischer Rassismus“ natürlich auch vor allem von Leuten geführt wird, die gerne jegliche Kritik am Islam als Rassismus brandmarken und damit ächten würden.
Aber…
Also bitte – ich war lange anderer Ansicht, jetzt kann ich mit dem Begriff unter oben genannten Vorzeichen leben, aber….
Aber wie nennt man dann eigentlich die gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit die manche Muslime Ungläubigen entgegenbringen? Die Kopfsteuer, die von allen nicht Muslimen zu entrichten ist? Die Aussage, dass die Ungläubigen niederer sind als das Vieh? Ist das dann per Definition nicht Islamischer Rassismus?
Eine andere Begrifflichkeit zu finden ist schwer: Anti-christlicher, anti-jesidischen, anti-buddhistischer, anti-atheistischer Rassismus? Schwierig, wenn man wirklich alle außer die eigene Gruppe verachtet. Warum spricht man denn beim IS nicht von einer rassistischen Gruppierung? Aus dem gleichen Grund, warum man eben auch nicht von anti-muslimischem Rassismus sprechen sollte: Die Eigenschaft auf die sich die Ablehnung bezieht ist nicht unveräußerlich.
Also entweder ist man konsequent und spricht sowohl von anti-muslimischen Rassismus als auch von muslimischen Rassismus – oder man definiert Rassismus in dem Sinne, dass er sich eben nur auf unveräußerliche Merkmale beziehen kann, was beide Begriffspaare unmöglich macht.
Wie soll denn eine fruchtbare Diskussion entstehen, wenn man sich nicht einmal auf die Begrifflichkeit einigen kann?
Eines der ersten philosophischen Bücher, das ich noch vor meinem Studium lesen wollte war „Der Begriff Angst“ von Kierkegaard. Wahrscheinlich weil der Titel auf weltverdrossene Teenies irgendwie anziehend wirkt. Das erste Drittel des Buches besteht nur aus Definitionen. Gute Philosophie geht so sehr ins Detail, dass es ohne 2 Seiten Definition eines allgemein gebräuchlichen Wortes nicht geht. Manche sagen ja, die Philosophie bestehe zu 90% nur aus Semantik – und ich bin geneigt ihnen zuzustimmen.
Denn wie man es nun Benennen ändert nichts an der Tatsache. Es gibt gruppenbezogene Feindlichkeit gegenüber Weißen und gegenüber Muslimen und gegenüber Ungläubigen durch Muslime. Ob man das nun Rassismus nennen möchte oder nicht.
Die Gefahr ist die Vereinnahmung des Begriffs Rassismus. Im Namen dieser Ideologie wurden und werden einige der schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt. Der Rassismus-Vorwurf wiegt schwer und man sollte ihn gewiss nicht so inflationär im Munde führen, wie es dieser Tage der Fall ist.
Denn das dieser Begriff gerade für die Neue Linke kaum noch wert besitzt – ich muss da immer an das Interview von Stokowski und Schwarzer denken. Stokowski bezeichnete Alice Schwarzer erst als Rassistin und fragte sie dann, ob sie sich davon beleidigt gefühlt hätte. „Nein, Margarethe, mit Völkermördern und Eugenikern auf eine Stufe gestellt zu werden, lässt mich natürlich völlig kalt“, wäre die einzig sinnvolle Antwort gewesen.