Das Gutachten zur Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ bleibt unter Verschluss, auch wenn einige Teile davon an die Medien durchgestochen wurden. Das bereits 2021 veröffentlichte Gutachten zur Einstufung der AfD als Verdachtsfall hingegen ist frei einsehbar. Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem neuen Gutachten um eine Weiterführung des alten Gutachtens handelt. Ich habe mich ein wenig in das 1.000 Seiten Gutachten eingelesen. Die Beispiele, die angeblich die „rechtsextreme Gesinnung“ der AfD belegen sollen halte ich für sehr schwach.
Ich habe mir den Punkt „Islamfeindlichkeit“ genauer betrachtet, in wieweit dieser Punkt exemplarisch für das weitere Gutachten ist, kann ich nicht sagen, aber er liefert doch einen Einblick in die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes. Dem Voranzustellen ist, dass das Gutachten durchaus zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit unterscheidet. Es wird über mehrere Seiten aufgelistet, wo sich diese Begriffe unterscheiden, von denen nur die Islamfeindlichkeit als Grund für eine Einstufung als gesichert rechtsextrem relevant ist.
Im Folgenden Auszug geht es um die Bezeichnung des Islam als feindliche Ideologie und die Pauschalisierung gegenüber den Mitgliedern, den Muslimen (Punkt 2.3):
„Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Landesvorstandssprecher in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, betonte:
„Er [Anm.: der Islam] ist eben nicht in erster Linie Religion, sondern politische Ideologie.“[3043]
Bernd Laub, Mitglied im Bundesvorstand der Christen in der AfD, forderte, dass die Glaubensausübung streng überwacht und begrenzt werden solle, und stellte fest:
„Der Islam gehört somit nicht zu Deutschland, sondern stellt vielmehr eine große Gefahr für das freiheitliche Leben in unserem Land dar.“[3044]
In den Aussagen auf Bundesebene werden muslimische Gläubige auf diesem Grundverständnis basierend wiederholt in pauschalisierender Weise als eine Personengruppe herabgewürdigt, die nicht in der Lage sei, ihre Religion im Einklang mit dem Grundgesetz zu praktizieren, weshalb sie zur Gänze eine Bedrohung für die deutsche Bevölkerung und Verfassung darstelle.“
Es handelt sich hier meiner Ansicht nach doch weniger um eine juristische Frage, als viel mehr um eine Sachfrage bzw. eine philosophische Fragestellung.
Ist der Islam eine gefährliche Ideologie? Wurden und werden in deren Namen Eroberungsbestrebungen durchgesetzt? Wie erging es folgenden Ländern: Afghanistan, Iran, Ägypten, Libanon? Sind die Grundlagen des Islam mit den Menschenrechten (Stichwort Kairoer Erklärung) oder dem Grundgesetz vereinbar? Versteckt sich der Islamismus und der legalistische Islamismus hinter der Religionsfreiheit? Warum überwachen selbst islamische Staaten wie Saudi-Arabien ihre Moscheen?
Nun mag nicht jeder Muslim verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, aber wie viele es tatsächlich sind, lässt sich schwer sagen. So bemängelt der Bericht an anderer Stelle die Abgrenzung zwischen „Islam“ und „Islamismus“. Diese Übergänge sind jedoch fließend. Nicht jeder Anhänger des Islam mag selbst Anschläge begehen, aber manch einer mag eben doch die Anschläge, Gewalt im Namen seiner Religion gutheißen. Eine Studie in Frankreich nach der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty ergab, dass 20% der befragten Muslime diese Tat ausdrücklich nicht verurteilten. Das Problem ist nicht ein Islamist, der Anschläge begeht. Es sind tausende, die jubeln, wie bei den Anschlägen auf Israel, und noch mehr, die leise zustimmend nicken.
„Islamismus“ definiert der Bundesverfassungsschutz wie folgt:
„Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass die Weltreligion des Islam nicht nur eine persönliche beziehungsweise private Angelegenheit ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmen oder zumindest teilweise regeln sollte.“
Gilt in diesem Sinne jemand, der sich für die Geschlechtertrennung im Unterricht einsetzt als Islamist? Jemand, der Karikaturen des Propheten gesetzlich verboten wissen will? Jemand, der die Sharia als das gottgegebene und damit beste Gesetz erachtet? Bei einer Umfrage des renommierten PEW- Resarch im Jahr 2013 gaben 91% der befragten Iraker, 89% der Palästinenser und 83% der Marokkaner an, die Sharia zum offiziellen Gesetz zu machen. Die Studie bildet, wie alle Studien natürlcih nicht 1 zu 1 die Wirklichkeit ab, aber auf dieser Grundlage müsste man davon ausgehen, dass ein Großteil der Einwanderer aus diesen Ländern (und vielen anderen) Islamisten sind.
Die Verwendung des Sammelbegriffes „Islam“ hier als „Pauschalisierung“ auszulegen ist eine rhetorische Spitzfindigkeit. Hätte Holm nun gesagt „Der Islamisus [anstatt der Islam] gehört somit nicht zu Deutschland, sondern stellt vielmehr eine große Gefahr für das freiheitliche Leben in unserem Land dar“ so hätte dies nicht die volle Tragweite des Problems erfasst. Eine scharfe Abgrenzung der Begriffe ist schlichtweg nicht möglich.
Die Ironie ist: Würde man die gleichen Maßstäbe, wie man sie nun an die AfD anlegt an den Islam anlegen, wie sehe es dann aus? Ist „Ungläubige“ gegen die es Krieg zu führen gilt, wenn sie sich nicht unterwerfen, kein „pauschalisierender Begriff“? Ist anzunehmen es gäbe ein von Gott gesandtes Gesetz, die Sharia, das allen menschlichen Gesetzen überlegen ist vereinbar mit dem Grundgesetz? Wie steht es um die Passagen bezüglich der Abwertung von Homosexuellen und Frauen? Dem Antisemitismus?
Wie ist es um Aussagen und vor allem auch Taten der Mitglieder dieser Ideologie bestimmt? Sollte man hier eine Ausnahme machen, weil es sich auf dem Papier um eine „Religionsgemeinschaft“ und nicht um eine Partei handelt?
Die politische Ideolgie versteckt sich hinter der Religion. Auf dieses Problem aufmerksam zu machen kann und darf in einer wehrhaften Demokratie nicht als Begründung für die Einstufung einer Partei als „gesichert rechtsextrem“ gelten.
