Spedition Anton Schlepper und Partner

Seenotrettung und Pullfaktor

Manchmal, nicht immer aber manchmal, hilft es komplexe Sachverhalte auf ein einfaches Beispiel zu reduzieren.

Stellen wir uns also vor, es gäbe eine Spedition – nennen wir sie Anton Schlepper und Partner. Diese Spedition wird beauftragt, Waren über eine Strecke von 1.500 km zu transportieren und die Kunden bezahlen für die gesamte Strecke.

Nun hat aber die Spedition das unsägliche Glück, dass sie die Waren gar nicht selbst über die ganze Strecke schaffen muss, sondern nur über eine wesentlich kürzere Strecke – sagen wir mal 20 Seemeilen. Den Rest der Strecke übernehmen unentgeltlich Partner in Übersee.

Welche LKWs wird die Spedition wohl benutzen und zukünftig anschaffen? Den teuren, neuen und nun überqualifizierten 40-Tonner oder den abgetakelten Sattelschlepper, der gerade so die kürzere Strecke schafft? Zumal wenn die Rückkehr des LKW nicht vorgesehen ist?

Wenn Anton Schlepper ein halbwegs ökonomisch denkender Mensch ist, so wird er versuchen mit möglichst wenig finanziellem Aufwand den größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften.

Vielleicht nimmt die Spedition jetzt mehr Aufträge an. Vielleicht aber auch nicht. Ob sie das tut hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: Qualität der Wege, Liquidität der Kunden, die allgemeine Wirtschaftslage und innenpolitische Faktoren.

Daher werden einige Soziologen und Spiegel-Autoren vorsätzlich daran scheitern, eine monokausale Verknüpfung zwischen Anzahl der beförderten Waren und der Erleichterung durch ddie Partner in Übersee herzustellen. Andere Studien wie bspw. die der NY Times oder aus Australien werden diese Leute ignorieren.

Wie dem auch sei – unterm Strich bleibt für unseren Spediteur mehr übrig. Da er geschäftstüchtig ist, wird er dieses Geld wieder investieren: In seine Infrastruktur, in die Verbesserung der Beziehungen zu den lokalen Behörden beispielsweise oder natürlich in Werbung für sein Unternehmen.*

Ich muss da oft an ein Bild denken, das ich in einem Seminar zu den USA im 19. Jahrhundert gesehen habe. Es zeigte Amerika in bunten Farben als Ort der Sehnsucht, wo es Land genug für alle gibt und jeder seines Glückes Schmied ist. Allerdings war die Anzeige nicht von den USA geschaltet, die um Einwanderer geworben hätten, sondern von den Reedern, die die Überfahrten verkauften. Die Realität sah anders aus als auf dem Plakat: Einwanderer wurden gleich nach der Ankunft in New York für den Sezessionskrieg verpflichtet. Ihre Familien mussten sehen, wo sie bleiben, bis der Vater den ersten Sold schicken konnte.

Nun kann das Bild der Spedition dem komplexen Thema natürlich nicht gerecht werden. Aber es zeigt hoffentlich denen, die da sagen: „Seenotrettung“ ist kein Pullfaktor! Das haben Wissenschaftler herausgefunden! – dass eben nicht jede Studie in der Lage ist die Komplexität des Themas in Gänze zu erfassen. Ganz wie diese Geschichte von der Spedition.