A Tale Of Two Studies – Die Geschichte Zweier Studien

„Es war die beste und die schlimmste Zeit, ein Jahrhundert der Weisheit und des Unsinns, eine Epoche des Glaubens und des Unglaubens, eine Periode des Lichts und der Finsternis.“
Und genau in dieser Zeit erblickten zwei Studien das Licht der Öffentlichkeit. Beide versuchten sich in Bereichen, in denen noch recht wenig Daten erhoben worden waren. Und obgleich beide ihre Schwächen hatten, war die eine viel geliebt und die andere viel gescholten. Ja man wollte der letzteren sogar absprechen überhaupt das Wort Studie zu verdienen. Erstere hingegen war ein gern gesehener Gast bei den angesehenen Medien – beim Spiegel und der Zeit, beim Monitor und der Taz, beim Mediendienst Integration und bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die zweite hingegen ward überhaupt nicht gerne gesehen. Es wirkte sogar als wollten manche gar verhindern, dass sie überhaupt gesehen wurde. So versammelten sich dann auch viele Leute mit illustren Namen und beeindruckenden akademischen Titeln und forderten das Projekt einzustellen noch bevor es richtig begonnen hatte.

Die beliebte Studie hörte auf den schwungvollen Namen „Afrozensus“, die unbeliebte trägt den sperrigen Titel „Brochüre der Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“.

Zu dieser Zeit war es in Mode, dass man sich mit den Opfer solidarisierte und die Täter verdammte – aber eben nur, wenn es die richtigen Opfer und nicht die falschen Täter waren. So hatten es die Gelehrten der Betroffenheitsforschung beschlossen. Die Opfer im Afrozensus wurden von dunklen Machenschaften, einem Geheimbund ähnlich unterdrückt, der im Überall und Nirgendwo agierte: Dem strukturellen Rassismus. Jeder Angehörige der Mehrheitsgesellschaft war ein Teil dieses Übels. Und weil jeder ein Teil war, war auch niemand ein Teil.

Die Täter in der unbeliebten Studie hingegen konnte man sehr genau benennen. Und das machte die Betroffenheitsspezialisten nervös. Musste man hier etwa am Ende noch konkrete Maßnahmen ergreifen? Maßnahmen gegen eine Gruppe, die von ihnen doch bereits pauschal als Opfer kategorisiert worden war. Nein. Das durfte nicht sein und was nicht sein durfte, konnte auch nicht sein. Also tat man, was man immer tat: Man schoss auf den Botschafter.

Die Arbeit sei nicht ergebnisoffen geführt worden, sondern es gäbe Anzeichen für Voreingenommenheit seitens der Ersteller der Studie. Hier sei erwähnt, dass der Verein, welcher die Afrozensus-Befragung durchgeführt „Each One, Teach One“ heißt. Die tragen die Ergebnisoffenheit quasi im Namen.
Der einzige Zweck der unliebsamen Studie hingegen sei es „schulische Konflikte politisch zu instrumentalisieren.“ Die Kritiker hingegen machten keinen Hehl aus ihren Absichten: „Sollte es den Akteur*innen (sic!) um eine grundsätzliche politische Debatte über Religion im öffentlichen Raum gehen, kann diese nicht glaubwürdig ausgetragen werden, wenn dies auf dem Rücken einer religiösen Minderheit geschieht“. „Vor dem Hintergrund der in der Gesellschaft weit verbreiteten antimuslimischen Einstellungen birgt dieses Projekt die Gefahr, die Diskriminierung einer bereits vielfach abgelehnten religiösen Minderheit zu befördern.“


Wen die Betroffenheitsforscher einmal zum Opfer erklärt hatten, der wurde diesen Status auch nicht mehr los. Selbst wenn er sich noch so anstrengte. „Konkrete Instrumente und Strukturen zum Umgang mit konfrontativer Religionsausübung im schulischen Regelbetrieb zu etablieren“ – das durfte schon gar nicht sein. Man könnte ja noch den Eindruck gewinnen, es handle sich um ein in der Tat strukturelles Problem. „Strukturell“ konnte aber nur der Rassismus der Mehrheitsgesellschaft sein von der der Afrozensus berichtet. Doch hier wurde keine Kritik vorgebracht – nicht an der willkürlichen Auswahl der Befragten nach dem Schneeballprinzip, nicht an der Möglichkeit die Onlinebefragung mehrfach auszufüllen, nicht an schwammigen Definitionen oder dass sie rein auf die Perspektive der Betroffenen reduziert war.

Und damit hätte die Autorin dieser Zeilen auch grundsätzlich kein Problem. Keine Studie oder Umfrage kann die Wirklichkeit abbilden. Sie können lediglich Orientierungshilfe leisten, uns einen Schatten der Realität vermitteln. Ihre aussagekraft ist beschränkt.

Und manchmal sagt die Reaktion auf Studien sogar mehr aus als die Studien selbst.