„Vielleicht nicht wütend genug“ – zum Tod zweier Mädchen

08.07.2021

Es gefällt mir nicht, wenn man Gewalttaten instrumentalisiert. Wenn man mit den Fotos und Geschichten der Opfer versucht an die Empathie, nicht aber an die Rationalität zu appellieren. Der Personenkult um Georg Floyd im letzten Jahr hat diese Bedenken gewiss noch einmal gefestigt. Empathie bedeutet, dass man die Gefühle des anderen nicht nur rational begreifen kann, man empfindet den Schmerz, als wäre es der eigene. „Mitleid“ ist eines der zentralen Themen Schopenhauers Philosophie.

Empathie ist wichtig, sie ermöglicht uns harmonisches Zusammenleben. Aber sie kann auch instrumentalisiert werden. Sie dient auch der Emotionalisierung einer Diskussion, die eigentlich sachlich geführt werden sollte. „Was würdest Du tun, wenn Du in seiner Situation wärest?“ – Damit kann man so ziemlich jeder gesellschaftlichen Frage begegnen – zur Lösung des Problems wird sie allerdings nicht beitragen.

Deshalb versuche ich mich grundsätzlich von Artikeln fernzuhalten, die überwiegend auf die emotionale Vereinnahmung des Lesers abzielen. Ich weiß um die abscheuliche Gewalt, die sich Menschen gegenseitig antun und muss mich deshalb nicht mit jedem Fall einzeln beschäftigen, um die Abgründe des menschlichen Seins besser zu verstehen. Mir reicht es zu wissen, dass Menschen zu allen Grausamkeiten im Stande sind, die ich mir ausmalen kann und sogar Schlimmeres.

„Männer“

Dann habe ich gestern das kaltschnäuzige und schlichtweg abstoßende Video von Sarah Bosetti zum Anschlag in Würzburg gesehen. Um Mitgefühl für die Opfer oder deren Hinterblieben geht es nicht. Stattdessen wird perfide versucht den Fokus unseres Mitgefühls auf die „Flüchtlinge“ zu lenken. Die Frauenfeindlichkeit, die hinter diesen Taten steht findet mit keinem Wort Erwähnung. Sie sei allenfalls ein Problem aller Männer. Nein, Sarah. Solche Taten werden nicht von „Männern“ begangen, sondern von Unmenschen. Und dass beide Taten von mehrfach vorbestraften, abgelehnten Asylbewerbern begangen wurden ist kein Zufall. Aber wer dieses Muster erkennt, der gilt ja schon als Rassist.

In Wien wurde die dreizehnjährige Leonie mit Ecstasy und Heroin vollgepumpt, von mehreren Männern brutal vergewaltigt, getötet, in einen Teppich gewickelt und wie Abfall am Straßenrand entsorgt.

In Würzburg war die 24-jährige Stefanie dabei, ein Geschenk und ein Kleid für die Hochzeit ihrer Freundin zu kaufen, bevor mehrmals auf sie eingestochen wurde und ihr das Leben genommen wurde. Eine Mutter wirft sich schützend vor ihr Kind.

Erst als ich mir diese Details vor Augen geführt habe, wurden die Taten real, sie waren nicht nur eine Zahl in einer Statistik mit denen ich mich wohl zu häufig beschäftige – und damit ein Stück weit auch das reale Leid ausblende.

Vielleicht bin ich, vielleicht sind wir nicht wütend genug. Ich spreche nicht von Wut auf „Flüchtlinge“. Anzumahnen, man dürfe nicht verallgemeinern wird ja geradezu gebetsmühlenartig vorgebracht, dabei glaubt kein vernünftiger Mensch, dass alle „Flüchtlinge“ Verbrecher sind. Aber diese Taten sind nur die Spitze des Eisbergs. Diese Männer hatten kein Recht hier zu sein. Sie hätten schon lange ausgewiesen werden sollen. Wie viele Verbrechen hätten verhindert werden können, hätte man die Täter ausgewiesen?

Es wird wieder passieren und es wird wieder nichts passieren. Und vielleicht liegt es auch daran, dass zu wenige Menschen ihrer Wut Gehör verschaffen.

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Immer wieder Somalia – zum Machetenmord an 2 Männern in Ludwigshafen

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Autor: aischaschluter

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen - von den kargen Früchten des Waldes.

2 Kommentare zu „„Vielleicht nicht wütend genug“ – zum Tod zweier Mädchen“

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